Die "heilige dreifaltigkeit" oder the holy trinity

Die "heilige Dreifaltigkeit" – ein Ausdruck, den man sehr häufig im Internet findet, und das nicht nur wenn man sich über kirchliche Dinge schlau machen möchte, sondern auch, wenn man etwas über Objektive In Erfahrung bringen möchte. Als interessierter Anwender der Fotografie, kennst du diesen Begriff sicher auch. Gemeint sind die drei Objektive die eine sehr grosse Spanne an Brennweite abdecken – in der Regel sind damit Zoomobjektive gemeint. Ein 14-24mm gepaart mit einem 24-70mm und ergänzt mit einem 70-200mm – alle mit einer durchgehenden Lichtstärke von f 2.8. Ist das ein MUSS in jedem Fotorucksack, respektive jeder Fototasche?
Häufig liest man, dass DIESE 3 DIE Grundlage für jeden ambitionierten Fotografen bilden, respektive die Möglichkeit darstellen, um 90% aller Fotoanwendungen abzudecken oder dass diese drei Objektive gar PFLICHT sind in der Fototasche.

So nebenbei – es gibt auch einen Leihkoffer, einen sogenannten Z-Serie Experience Kit von Nikon Deutschland, mit dem Inhalt der Drei. Nikon Schweiz hat diesen Koffer, respektive die Experience Kits im Allgemeinen leider nicht im Angebot.

Nun, braucht man diese Objektive wirklich oder ist das nur eine Modeerscheinung, ein Verkaufsargument oder gar eine Philosophie?

Ich habe mir Gedanken über die Aussagen im Netz gemacht und versuche es aus meiner persönlichen Sicht, so auszudrücken: Bist du Landschaftsfotograf? Dann ist die "heilige Dreifaltigkeit" mit den Zoom's durchaus die eine oder andere Überlegung wert. Apropos Wert – mit den genannten Drei mit der zwo-achter Lichtstärke, bewegen wir uns in einem doch kostspieligen Umfeld. Die Hersteller lassen sich die Gläser nämlich sehr gerne gut bezahlen. Bei Nikon sind die Nikkor ℤ Objektive (Stand 08.11.23) 14-24mm f2.8 gelistet mit CHF 2'153.-, das 24-70mm f2.8 mit CHF 1'998.- und das 70-200 f2.8 mit CHF 2'251.-, Stand 24.04.23 – das macht summa summarum gerundete CHF 6'400.-. Das ist dann doch ein ganz schöner Batzen. Es will also wohl überlegt sein, in welchem fotografischen Genre man sich bewegt und was man dazu benötigt. 
Wer einfach und ohne eine bestimmte Vorstellung der Fotografie drauf los will und alle Brennweiten abdecken möchte, ist mit den Dreien sicherlich bedient. Wer sich hingegen genauere Gedanken gemacht hat, wird eventuell die Drei nicht alle nutzen/brauchen. Für Stillleben und Makro? – brauchts die Drei nicht. Für Portraits? – brauchts die Drei auch nicht – genauso wie für Foodfotografie, Street, Hochzeiten, Mode oder Architektur. Ich sehe das so, wie bereits beschrieben – wer auf Nummer sicher gehen will und nicht recht weiss was – der nimmt die Drei – weil, eigentlich hat nur der Landschaftsfotograf dafür Verwendung, vielleicht noch, etwas entfernt aber realistisch, bestünde der Anwendungsfall für den Eventfotografen ... oder man hat mehrere Anwendungsbereiche, das kann natürlich auch sein.

Mich beschäftigt dazu noch eine ganz andere Frage. Müssen es denn wirklich Zoomobjektive, oder dürfen die "heilige Dreifaltigkeit" auch aus Festbrennweiten bestehen? Wenn man das jetzt genauer betrachtet, öffnet sich jetzt doch der Anwenderbereich, oder nicht? 

Mit den Festbrennweiten sind wir mit einer deutlich! besseren Lichtstärke, nehmen wir fairerweise zum Vergleich "nur" f1.8 gesegnet und auch preislich und gewichtsmässig in einem ganz anderen, nämlich etwas leichteren Bereich, unterwegs. Das Nikkor ℤ 35mm f1.8 wird bei Nikon Schweiz für CHF 734.- gelistet, das 50er 1.8 für CHF 548.- und das 85er für CHF 698.- – alle Preise Stand 24.04.23. Gewichtsmässig spart man mit den drei Festbrennweiten mehr als 50% des Gewichts der Zoomobjektive, also da sind wir bei 1.255kg gegenüber 2.895kg. 


Preislich sparen wir mit Festbrennweiten nebst Gewicht also auch noch gute CHF 4400.-. Mit den drei Festbrennweiten kann man selbst Landschaftsfotografie betreiben! Flexibler sind hier doch die Zoom's, wenn man auf oder von einem Bergkamm zum nächsten oder über einen Bergsee fotografieren möchte und feststellt, dass hier ein Zoom wunderbare Dienste tut. Aber auch die mit 14mm extreme Anfangsbrennweite eines Weitwinkelzooms und die Tiefenschärfe sind für eine umfassende Landschaftsaufnahme wirklich nicht zu verachten. Mit den Festbrennweiten deckt man dafür klar die Event,- Mode,- Food,- Street- und Portraitfotografie ab ... und eben auch, mit Abstrichen, die Landschaftsfotografie.

Fassen wir zusammen – meiner Meinung nach, kann die "heilige Dreifaltigkeit" aus folgenden Gläsern bestehen:

  • 14 - 24mm f2.8
  • 24 - 70mm f2.8
  • 70 - 200mm f2.8

oder

  • 35mm 1.8 (alternativ auch 1.4 oder 1.2)  
  • 50mm 1.8 (alternativ auch 1.4 oder 1.2) 
  • 85mm 1.8 (alternativ auch 1.4 oder 1.2) 


Ich hoffe, du kannst soweit nachvollziehen, wie ich diese Abhandlung gemeint habe. Es ist nie verboten Gläser zu mischen, für andere Zwecke oder Genres zu verwenden. Viele Objektive sind "übergreifend" einsetzbar und vieles oder auch alles ist, wie immer, "Geschmacks- oder Ansichtssache". :-) Alles kann, nichts muss!
Natürlich gebe ich hier meine persönliche, subjektive Meinung wieder und erhebe beileibe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich fokussiere mich bei meiner Meinung auf die Genres in denen ich mich bewege und das ist eben nur ein kleiner Teil des Fotografie-Spektrums.

Ich für meinen Teil bevorzuge Festbrennweiten und arbeite am Liebsten mit dem 20er 1.4, dem 35er 1.4, dem 50er 1.2, dem 85er 1.2, dem 135er 1.8 und dem 200er f2!