Mythos m

Die Modi, die deine Kamera bietet, kennst du sicherlich. Ich setze das mal voraus :-)

Argumentationen – viiiiele Argumentationen über die Modi hast du sicherlich schon gelesen, im Internet, in Büchern – gesehen  oder gehört auf Youtube. Wenn es um das Thema Modi geht, wird wohl am häufigsten vom M-Modus geschwärmt und jedem wird, fast schon pedantisch-aufdringlich eingebläut, dass der M-Modus den Profi ausmacht – etwas anderes nutzt man nicht!
"Ein Profi, der nicht den M-Modus dauernd nutzt, ist keiner" und "Halbautomatiken sind für Anfänger und Knipser"; "Manuell fotografieren – Hole das Maximum aus deiner Kamera heraus." oder "Warum manuell fotografieren der Weg zu wow-Fotos ist." usw. usw.

Eines vorneweg – die Programmautomatik (P) oder den Automatikmodus (auto) aktiviert man bei einer DSLR oder DSLM wirklich nicht. Ganz ehrlich :-) Wenn du die Programmautomatik nutzen möchtest, die sicherlich nicht schlecht ist und ihre Daseins-Berechtigung hat, dann reicht eine gute Bridgecam und du kannst dir weitere Investitionen sparen. Du gäbest Geld aus für viel technisches Potenzial, welches du zwangsläufig nicht nutzen würdest und das wäre äusserst schade.

Aber stimmt das nun mit dem M-Modus? Ist das wirklich der Weisheit letzter Schluss bei der Anwendung deiner Kamera? Bin ich nur Profi mit dem M-Modus oder darf ich mich dann zumindest als Profi fühlen? Ist der M-Modus gar DIE Zutat für bessere Bilder? Wow Bilder? Nutzt der Profi ausschliesslich den M-Modus? ... und wenn der M-Modus ja so gut ist, warum gibt es denn die andern Modi? – selbst bei den teuersten Flagschiffen der Kamerahersteller?
Bevor man sich an eine Aussage zu den einzelnen Modi wagt und Schlüsse aus deren funktionsweise zieht, sollte man die arbeitsweise des Belichtungsdreiecks, sprich die Abhängigkeit der Faktoren zueinander verstanden haben. Ich möchte dir deshalb raten, die einschlägigen Lektüren und Erklärungsvideos (<- Link) zu Rate zu ziehen, damit du das Belichtungsdreieck verstehst und mir folgen kannst, weshalb ich folgendes zu den Modi untenstehend aufführe. 


Der A-Modus (A oder Av steht für Aperture (priority) oder Aperture value) | bezeichnet die Zeitautomatik oder auch Blendenpriorität.
Diesen Modus aktiviere ich persönlich zu 85% bei meinen fotografischen Tätigkeiten. Weshalb? Ich fotografiere in der Regel alles rund um Landschaften, also Motive, die sich kaum (vielleicht durch den Wind) oder gar nicht bewegen. Oder ich fotografiere stehende Fahrzeuge und Gebäude – oder sich nicht bewegende, posierende Menschen. Ich schaue dabei auf die Verschlusszeit, die die Kamera für mich wählt, dass diese, z.B. bei Menschen, auch wenn sich diese "nicht" bewegen, nicht unter 1/40" fällt. Diese Verschlusszeit kann ich persönlich noch sehr gut halten – ohne Stativ. Mit der Z9 einem stabilisierten Objektiv, wie dem 50mm f1.2, halte ich persönlich sogar Verschlusszeiten von 1/20". Ansonsten ist der Kehrwert (zB. 1/200") der Brennweite (zB. 200mm) deines verwendeten Objketives, ein guter Anhaltspunkt, um sich zu orientieren, bei welcher Verschlusszeit ein Foto in der Regel noch scharf abgebildet wird.

Wenn mein definiertes Ziel mit der Blende als Gestaltungsmittel (Tiefenschärfe, Bokeh, Freistellung) zu tun hat –> A-Modus.

Der A-Modus ermöglicht es, die Blende manuell zu wählen, während die Kamera automatisch die passende Belichtungszeit einstellt, um eine korrekte Belichtung zu erzielen. Bei posierenden Menschen also Portraits jeglicher Art (Ganzkörper-, Oberkörper- oder amerik. Anschnitt) oder Fahrzeugdetails ist die Offenblende prädestiniert. Gerade wenn man eine Offenblende von f1.2 einstellen kann. Ich möchte damit Details, Motive, Gesichter freistellen oder in der Landschaft mit Blende 8 Tiefenschärfe erreichen und da, die Blende als Gestaltungsmittel mein definiertes Ziel ist, nehme ich den A-Modus. Ob ich die von der Kamera gewählte Verschlusszeit mit der Hand halten kann oder nicht oder ob ich das Bild so rauscharm wie möglich haben möchte, bestimmt dann meine Vorgehensweise bei der Auswahl der ISO Einstellung. ISOauto? oder passe ich den ISO Wert manuell an? ISOauto hat ja bekanntlicherweise den Vorteil in einem halbautomatischen Programm (konkret muss es sich um einen Modus handeln, in dem die Kamera die Belichtung automatisch durchführt, wie A, S oder P), dass man die Belichtung mittels der Taste "Belichtungskorrektur" korrigieren kann.
Dort wo ich wenig Zeit habe an Rädchen zu drehen und wenig Kontrolle über die Geschenisse um mich herum habe oder ich darauf verzichten kann um ISO 100 oder darunter meine Aufnahme zu machen, wähle ich ISOauto mit einem Begrenzungswert gegen oben von 3200 (Rauschen). Dort wo ich Zeit habe an Rädchen zu drehen und Knöpfe zu drücken und die volle Kontrolle um mich herum habe, setze ich den ISO Wert fest. Die Blende schliesse ich bei Landschaftsaufnahmen bis zum sweet-spot des jeweiligen Objektivs (ca. f5.6) aber um eine akzeptable Tiefenschärfe zu erreichen und trotzdem der Beugungsunschärfe zu "entgehen" schliesse ich max. bis 9 oder in Extremis 11, je nach Objektiv. Lieber nehme ich Blende 8. Mit der habe ich mich angefreundet :-)

ALSO: Landschaft Blende 8, ISO so niedrig wie möglich (64 , L0.3 oder L0.7), Verschlusszeit nach Motiv. Wenn's zu lange wird –> Stativ!
Portraits von posierenden! Menschen, Fahrzeug- oder Gebäudedetails –> Offenblende, 1.2 oder 1.4 oder 1.8. Einfach – für sich unbewegende Dinge. 


Der S-Modus (S oder auch Tv steht für Shutter (priority) oder Time value) | bezeichnet die Blendenautomatik oder auch Verschlusspriorität.
Diesen Modus nutze ich vielleicht zu 5% – dann wenn ich Fahrzeuge, die sich bewegen, einfrieren möchte oder sog. Mitzieher machen möchte oder an einem Event shoote, wo sich die Menschen bewegen. Damit spiele ich mit der Bewegungsunschärfe. 

Wenn mein definiertes Ziel mit der "Geschwindigkeit" oder "Bewegung" zu tun hat –> S-Modus.


Erfahrungswerte zum "einfrieren" oder einfach scharf abbilden klassischer Motive 

  • Fahrzeuge (Strasse) ab 1/250"
  • Fahrzeuge (Rennstrecke) ab 1/1000"
  • Kinder 1/250"
  • Hund beim spielen ab 1/500"
  • Läufer bei Sportereignissen 1/800"
  • Schwimmer 1/500"
  • Wassertropfen 1/500"


Der S-Modus, ist der Belichtungsmodus, der es mir ermöglicht, die Verschlusszeit manuell einzustellen, während die Kamera automatisch die passende Blende einstellt, um eine korrekte Belichtung zu erzielen.

Der S-Modus ist besonders nützlich für Fotografen, die schnelle Bewegungen oder Action aufnehmen möchten, wie z.B. Sport- oder Wildlifefotografen. Durch die manuelle Einstellung der Verschlusszeit kann der Fotograf die Bewegung im Bild kontrollieren und gezielt Unschärfe oder Bewegungsunschärfe erzeugen, um dynamische und kreative Bilder zu erzeugen. Ich aktiviere diesen Modus z.B. auch bei Konzerten, auf dem Fussballplatz oder Events. Jedenfalls dort, wo Bewegung im Motiv ist – situativ!  

Dort wo ich wenig Zeit habe und wenig Kontrolle über die Geschenisse, um mich herum, wähle ich ISOauto mit einem Begrenzungswert gegen oben von 3200, bei Konzerten oder Events mit wechselnden und/oder schlechten Lichtverhältnissen auch 6400. Wenn ich Zeit habe mich einzurichten, an Rädchen zu drehen und auszuprobieren, ist der ISO Wert festgelegt bei 64 , L0.3 oder L0.7, um weiterhin die Rauscherei im Griff zu haben.

Der M-Modus (Manual) bezeichnet die manuelle Belichtungssteuerung – und diesen nutze ich vielleicht zu 10% bei meinen fotografischen Tätigkeiten. Jetzt musst du alles selber regeln! Auch die Belichtungskorrektur hilft dir nicht mehr weiter. Bei welchen Gegebenheiten nutze ich diesen? Wenn ich voll kreativ sein möchte, bei der Astrofotografie und bei Langzeichtbelichtungen in der Landschaft (Wolken, Wasser, touristische Spots, um die Menschen "verschwinden" zu lassen). Oder auch, wenn die Kamera grosse Schwierigkeiten hat, die korrekte Belichtung zu finden, oder die Gegebenheiten, um das Motiv einige pragmatische Einstellungen verlangen. Bei einem sehr hellen Bild z.B. könnte deine Kamera die Belichtung falsch einschätzen und den Rest des Fotos entweder über- oder unterbelichten. Der M-Modus ist auch überall nützlich, wo ich die eingestellten Parameter immer gleichbleibend haben möchte, wie z.B. bei einer Panorama-Aufnahme. So vermeide ich, dass ein Foto etwas dukler wird, das nächste heller usw. Dort wo ich Zeit habe an Rädchen zu drehen und Knöpfe zu drücken und die volle Kontrolle um mich herum habe. Das ist für mich die Zeit des M-Modus.

Erfahrungswerte zum abbilden klassischer Motive wo Zeit eine Rolle, aber nicht die einzige spielt! .. und ich kreativ sein möchte/muss.

  • Mond 1/10" bis 1/25"
  • Sternenhimmel, respektive Milchstrasse siehe im Kasten nebenan!
  • Mitzieher von Fahrzeugen 1/30" - 1/125"
  • Wasserfälle 1/10" - 1" (Langzeitbelichtung)
  • fliessende Gewässer 1" - 2" (Langzeitbelichtung) 
  • Seen, Weiher 2" und mehr (Langzeitbelichtung)


ALSO: den M-Modus verwende ich für folgende Aufnahmen:
Panorama-, Langzeit-, Feuerwerk-, Gewitteraufnahmen oder im Studio oder studioähnlichen Aufnahmen im Outdoorbereich mit Anleitung des oder der Model(s), – allgemein einfach bei Studioarbeiten oder beim Arbeiten mit Blitz, oder wie oben beschrieben bei der Astrofotografie oder bei Langzeichtbelichtungen.

Meine Erläuterungen beziehen sich auf den Normalfall der Lichtsituation. Wenn du z.B. vorbeifahrende Busse mit einer etwas längeren Verschlusszeit aufnehmen möchtest (mit Bewegungsunschärfe), also etwa eine 1/2" oder weniger, du die ISO schon auf den untersten Wert gedreht hast, den die Kamera bietet, sprich L 1.0 oder so, du die Blende unvorteilhafterweise auf z.B. Blende 22 geschlossen hast und dein Bild immer noch sehr hell ist, da die Sonne und die Umgebung besonders viel Licht auf den Sensor werfen lassen, sprich dein Bild immer noch überbelichtet sein wird, dann ist der M-Modus das Mittel, um die Situation einigermassen in den Griff zu bekommen oder du benutzt Filter. Filter, um das Licht zu verringern. Du erreichst so die gewünschte Verschlusszeit, dein Bild ist nicht überbelichtet und du brauchst die Blende nicht maximal zu schliessen und machst deine Aufnahme kaputt durch die "massiv" eintretende  Beugungsunschärfe. Und du kannst auch den ISO Wert in einem gesunden Bereich halten. In so einem eher extremen Fall, wäre der S-Modus nicht zielführend, obwohl wir es mit Bewegung zu tun haben.


Fazit

Ob man einen Teil der Halbautomatik überlässt oder komplett manuell einstellt, ist im Vergleich wie Kopfrechnen gegen Taschenrechner. Es ist DEINE Entscheidung, welcher Modus grad zur Situation passt. SITUATIV!
Klar bleibt, dass einzelne Belichtungsparameter Auswirkung auf die Bildgestaltung haben. Blende auf die Schärfentiefe, Bokeh, Freistellung und die Ausbildung der Blenden- oder Sonnensternen, Verschlusszeit auf Bewegungsunschärfe.
Man sollte wissen, für welche Aufnahmesituation, welcher Modus der passendste ist und dessen Vorteile auch nutzen. Ausserdem ist es für die Modi-Entscheidung dienlich, sich die Frage zu stellen und auch zu beantworten, wann ich die volle Kontrolle über die Situation möchte UND diese auch habe! Der M-Modus macht dich weder zum Profi, noch werden die Bilder besser. Man muss wissen, wie das Instrument einzusetzen und die Technik zu bedienen ist.  

Die Kreativität entfaltet sich in der Wahl oder dem Arrangement des Motivs und in der Wahl der Perspektive, des Bildwinkels (Brennweite), der Lichtsetzung und des Bildausschnitts. Später kommt die Entwicklung noch dazu.

Der M-Modus ist für mich "künstlerischer" und näher an der analogen Fotografie, was aber dennoch, wie beschrieben, nicht heisst, dass ich ausschliesslich in diesem Modus fotografiere. Ich nutze ja den M-Modus sehr sehr wenig.

ANHANG 

Detailierte Angaben zum Einfangen der Milchstrasse (oder Sternenhimmel)
Du hast bestimmt schon von der 500er Regel gehört, wenn du dich mit der Fotografie des Sternenhimmel auseinander gesetzt hast und du ohne Nachführung den Nachthimmel fotografieren möchtest. Die 500er Regel ist sehr populär und besagt, dass sich aus der Formel:

500 / (Brennweite x Crop-Faktor)

die ideale Verschlusszeit zur Aufnahme ergibt.

In einem konkreten Beispiel auf mich bezogen, würde das heissen:
Nikon Z9 mit Objektiv SIGMA 20mm f1.4:
500 / 20mm (Crop bei mir keiner, da Vollformat) = 25".

Die 25" sind jedoch, unter Einbezug der Erdrotation, viel zu lange und die abgebildeten Sterne ziehen bereits Streifen – sehen aus wie Komma's, Ufo's oder sind eiförmig. Die Sterne werden mit dieser Verschlusszeit nicht punktförmig abgebildet! Die Formel ergibt ist also nichts anderes als einen groben Annäherungs- oder Richtwert – mehr nicht. Im Internet gibt es ebenso Seiten zur 300er, 400er und 600er Regel, deren Resultate nicht genauer sind. Das alles mag als Ausgangslage zum "sich heranprobieren" dienen.

2010 kam endlich Abhilfe durch eine Formel die Frédéric Michaud von der astronomischen Gesellschaft von Le Havre entwickelte. Textauszüge und Link mit freundlicher Genehmigung von Frédéric Michaud der astronomischen Gesellschaft von Le Havre:
"Berechnung der Belichtungszeit ohne Sternschnuppenbildung
Ich habe 2010 eine Regel entwickelt, mit der man (recht) einfach die maximale Belichtungszeit berechnen kann, mit der man einen Sternenhimmel fotografieren kann, ohne dass die Sterne zu sehr verschwimmen. Diese Regel ersetzt die uralte "500er-Regel", die zu unsichere Ergebnisse liefert.
Die NPF-Regel ist etwas komplizierter als die 500er-Regel, aber sie hat den Vorteil, dass sie sofort und zuverlässig die ideale Belichtungszeit für punktgenaue Sterne liefert, wenn man Fotos ohne Nachführung macht.
Die NPF-Regel ist in verschiedenen Anwendungen implementiert, z. B. PhotoPills, PlanIt!, qDSLRDashboard, Pin Point Stars und anderen."


Zum Vorteil dieser Formel wird, dass sie nebst der Blende (N) auch die Pixeldichte (P) sowie die Brennweite (F)  in die Berechnung miteinbezieht. Die Formel kann ebenfalls als Faustregel betrachtet werden. Sie ist einfach moderner und präziser. Es kommen also Werte der Kamera und des Objektivs zum Tragen.

Zum NPF Rechner

Der Rechner gibt die Resultate unter dem Titel Résultats aus. Unter NPF complète erscheint das Resultat, gerechnet von der kompletten Formel, unter NPF simplifiée erscheint das vereinfacht errechnete Resultat und unter règle des 500 wird das Resultat der sehr ungenauen 500 Regel zum Vergleich angezeigt. Und "einen scroll" weiter unten gibts das Ganze auch in englisch.

Die vereinfachte Formel erklärt sich dadurch (Textauszug):
"Wenn man eine Verschiebung des Sterns, um einen Durchmesser toleriert (k=2) und noch weiter vereinfacht, kann man den konservativsten Fall annehmen, in dem der Stern eine Deklination von Null hat (bei dieser Deklination bewegt er sich am schnellsten), auch den Term für die Turbulenz vernachlässigt (ideales Seeing) und die Zahlen auf 5 aufrundet, gelangt man zu der vereinfachten Regel."

Zur 4-Crop Regel gibt Frédéric Michaud folgende Erklärung ab:
"Ich gebe gerne zu, dass die NPF-Regel diejenigen abschrecken kann, die sich beim Rechnen unwohl fühlen (und ja, 2+3×4 ist nicht 20, sondern 14).

Auf der Grundlage einer Liste von fast 250 APSC-, µ4/3- und Vollformatkameras mit 10 MPix oder mehr, habe ich nach einem einfachen Gesetz gesucht, das zwar weniger genau ist als die NPF-Regel, aber immer noch besser als die 500er-Regel. Das einfachste, das ich gefunden habe."